Die Macht der Worte

Das Jawort, das Passwort, das gute Wort, das jemand für dich einlegt,
das Machtwort, das Schlagwort, das rechte Wort, das jemand fand,
das Sprichwort, das Suchwort, das liebe Wort aus süßem Mund –
sie alle zeugen von der Macht der Worte.

(Alois Katzlhuber: Worte im Walde, 2005)

1400: Ali Baba hatte gut aufgepasst. Er rief »Sesam öffne dich«, und tatsächlich: Sofort tat sich in der Felswand ein breiter Spalt auf. Ali Baba ging klopfenden Herzens hindurch und betrat die Räuberhöhle. Er musste die Augen schließen, so stark glänzte das Gold und glitzerten die Rubine, Smaragde und Diamanten, die dort angesammelt waren. (Ali Baba und die vierzig Räuber; ein Märchen aus 1001 Nacht, aus dem Gedächtnis zitiert)

1789: »À la Bastille!« rief der Redner am 14. Juli 1789 vor dem Palais Royal in Paris, und tatsächlich: Die Menge machte sich auf den Weg zur Bastille, der verhassten Gefängnisfestung, deren Geschütztürme drohend über die Vorstadt ragten.

1989: »Hast du das Passwort?« fragte der Computer, stoisch vor sich hin summend, wohl zum hundertsten Mal, und Casaubon hackte wütend »Nein!« in die Tasten. Das war kaum geschehen, schon öffnete sich der schwarze Vorhang... (Umberto Eco: Das Foucaultsche Pendel. Aus dem Gedächtnis zitiert)

1989: »Wir sind das Volk!« Es waren vier Worte im Mund von einigen tausend Demonstranten, die das SED-Regime in der DDR zum Einsturz brachten.

2001: Um das Jahr 2001** begann die Kaufhauskette »Saturn« (Metro-Gruppe) damit, den Slogan »-ei- ist -ei-« in die Landschaft zu brüllen. Der antimoralische Rabattschlachtruf dürfte innerhalb von fünf Jahren mindestens 10.000 Unternehmen in die Pleite getrieben, mindestens 300.000 Arbeitsplätze vernichtet und mindestens 20 Mio. Haushalte mit Schrottprodukten zugeschüttet haben (zum volkswirtschaftlichen Hintergrund siehe Wikipedia:Deflation). 2002 bekam er Unterstützung durch ein weiteres Irrwort, diesmal aus dem Volksmund: »der Teuro«***. Die Macht dieser Worte ist so groß, dass ich davor warnen muss, sie – egal in welchem Zusammenhang – zu zitieren. Sie entfalten ihre Zauberkraft auch dann, wenn man sie in anprangernder Absicht zitiert. Darin ähneln sie dem Titel »der -üh-«, mit dem Adolf Hitler noch 55 Jahre nach seinem Tod seine klammheimliche Weiterverehrung organisiert.

2003: Mitte 2003 stellte der Bund für Umwelt und Naturschutz Bielefeld erstmals das Projekt »Teuto ohne Auto« der Öffentlichkeit vor. Der leicht provozierende und dennoch sympathische Name (aus dem Hause korffTEXT) für eine hierzulande neue Idee, den ersten autofreien Sonntag Westfalens, schlug sofort ein und wurde von da an regelmäßig in der Lokalpresse zitiert. Am 19. Juli 2005 machten sich 35.000 Ostwestfälinnen und Lipper mit Fahrrad oder Inline-Skates auf den Weg, den Teuto ohne Auto zu erleben.

2005: Ausgerechnet das Handy hat eine Renaissance der Sprüchesammler ausgelöst. Eine Google-Suche nach dem Suchwort „SMS-Sprüche“ erbrachte am 19. Juli 2005: 846.000 Treffer. Und merkwürdig: Viele dieser Sprüche erinnern an das gute alte Poesiealbum...;-)

2006: »Wie heißt das Zauberwort?« fragte die genervte Mutter an der Kasse ihren drei-Käse-hohen Sohn. »Büt'«, nuschelte dieser widerwillig in seinen noch nicht vorhandenen Bart; ein Wort knapp an der Nachweisgrenze, aber es wirkte wie gewünscht: Das dicke bunte Eis landete auf dem Rollband.

2009: Kühe mit Namen geben mehr Milch. Das fanden Forscher in Newcastle (Großbritannien) heraus.

2010: Bibel, Koran, Kapital und Google bestehen aus Worten. Worte bewegen die Welt.

2011: Was Werbetexte mit Liebesbriefen gemeinsam haben.

2013: Wort der Woche: Leider geil (Deichkind): Klassische Rhetorik reißt's raus.

2015: Die Umtaufung der Finanzmarktkrise in Eurokrise (politischer Journalismus)

Die Sammlung wird fortgesetzt.

Jens Jürgen Korff 

** Weiß es jemand genauer?
*** In Wirklichkeit sind noch nicht einmal in der Münchener Gastronomie die Preise gestiegen! Siehe tz vom 6.6.2005


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