Gute Werbung, schlechte Werbung (Schriftart: Breitkopf Fraktur)

Für Sie nachgefragt: Werbebeispiele, die gut funktioniert haben, und Werbebeispiele,
die schlecht funktioniert haben
2. Ausgabe, Februar 2006 / Eine Anregung von korffTEXT Bielefeld


Weblog über Werbetext, Webtext...

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Webtext ist anders

Sprechende Werbetexte

Anders als in der ersten Ausgabe habe ich diesmal nachgefragt, wie gut die Anzeigen funktioniert haben. So soll es auch bei den künftigen Ausgaben von "Gute Werbung, schlechte Werbung" sein.
  • Der Schwanz des verpassten Geparden:
    Eine Nikon-Anzeige für schnelle Digitalkameras erzielte Wirkung durch eine spannungsreiche Bild-Text-Kombination, die die Geschichte einer Panne erzählt.
  • Was für'n Design? Worum geht's hier, bitte?
    Eine Textanzeige für den "Life Science Design Award" ließ trotz vieler Worte fast alle, die noch nichts von der Sache wussten, ratlos zurück. Die Außenwirkung lag wahrscheinlich nahe Null.
  • Bunt is bad
    Der aktuelle Slogan "Bunt is beautiful" soll für emotional ansprechende Druckfarben werben. Er verstößt gegen vier Richtlinien für wirksame Slogans.

 

Nikon-Anzeige_streifen2.jpg (17043 Byte)

Der Schwanz des
verpassten Geparden

Lesehilfe:

Der einzige Gepard auf der ganzen Safari. Hätten Sie nur die
Nikon D50 mit ihrer ultrakurzen Einschaltzeit dabeigehabt.

D50   Never miss a moment...

Die Macht der Worte

Warum Canceln typisch deutsch ist

Der japanische Kamerahersteller Nikon warb im Herbst 2005 mit Anzeigen für eine neue Digitalkamera mit besonders kurzer Einschaltzeit. Die Anzeige zeigt ein missglücktes Safarifoto: verwaschener Hintergrund in gold-gelb-braunen Afrikafarben; im Vordergrund nur das Schwanzende eines Geparden, der nach links aus dem Bild gelaufen ist. Headline:"Der einzige Gepard auf der ganzen Safari. Hätten Sie nur die Nikon D50 mit ihrer ultrakurzen Einschaltzeit dabei gehabt." Nach Auskunft von Nikon Deutschland war der Kunde mit der Wirkung der Anzeige zufrieden. Eine Kontroll-Nachfrage bei zwei Bielefelder Fotohändlern ergab zwar keine konkrete Erinnerung an die Anzeige, aber die Information, dass Nikon im Herbst 2005 zahlreiche verschiedene Anzeigen für die Kamera D50 geschaltet hat, und dass die Kamera zu den meistverkauften des Typs gehört(e).

Gründe für den mutmaßlichen Erfolg dieser speziellen Anzeige könnten sein:

  • ein ungewöhnliches Foto als Blickfang,
  • der trockene, leicht sarkastische Humor im Text der ungewöhnlich langen Headline,
  • die Spannung zwischen Bild und Text, die zusammen die Geschichte einer Panne erzählen,
  • der einfache Bezug zwischen Problem (Fotoobjekt taucht nur kurz auf) und Lösung (schnelle Kamera),
  • das sich daraus ergebende klare Produkt-Versprechen,
  • die Tatsache, dass das beworbene Produkt in der Headline ausdrücklich genannt wird.

An der grafischen Ausführung gibt’s allerdings was zu meckern: Man sieht den Schwanz zu spät. Das liegt daran, dass das Logo oben rechts (in der englischen Version oben links) zunächst den Blick anzieht. Wen Nikon nicht interessiert, blättert an dieser Stelle bereits weiter – und sieht dann auch nicht mehr, dass das Logo farblich mit dem Schwanz korrespondiert. Das Logo (d.h. der Schriftzug »Nikon«) hat einen stärkeren Kontrast zum Hintergrund als der Schwanz, und es steht weit über dem Schwanz. Das sollte genau umgekehrt sein, damit der Blick zuerst auf den Witz fällt.

Nikon-Anzeige.jpg (57537 Byte)

Die englische Anzeige in einer seitengespiegelten Version für Rechtsseiten. In der "Zeit" stand die Anzeige auf einer Linksseite; der Gepard lief nach links aus dem Bild.

 

Was für'n Design?
Worum geht's hier, bitte?

In der gleichen ZEIT-Ausgabe vom 3.11.2005, in der auch die Nikon-Anzeige stand, warb eine PR-Anzeige für "Life Science Design", ein Thema mit Konzept-Wettbewerb, Ausstellung und Jahrbuch am Rande der Messe MEDICA in Düsseldorf. Inhaltlich ging es wohl um Genetik, Gentechnik und medizinisches Industriedesign. Nach Auskunft der beteiligten Design-Agentur "Red Dot" wurde die Wirkung der Anzeige nicht gemessen. Nach Auskunft des Veranstalters "LSA Life Science Agency" hat sich kein Außenstehender aufgrund der Anzeige gemeldet; allerdings haben einige Mitaussteller sie gesehen und sich zufrieden geäußert. Nach Auskunft von zwei Professoren, die in der Anzeige als Mitautoren des dort beworbenenen Buches genannt wurden, sind beide von niemandem aufgrund der Anzeige angesprochen worden.

Ein Protokoll meiner Gedanken während der Lektüre der Anzeige zeigt Gründe für das Versagen der Anzeige auf:

  • Worum geht es eigentlich?
  • Irgendwas mit DNA (DNS) – ja und? So rasend neu ist das Thema auch nicht mehr; da steht ja sogar ausdrücklich: 1953. Stichwörter beim Überfliegen: Watson, Nature, Doppelhelix, Designer, design award –
  • geht’s hier vielleicht um Gott, den »intelligenten Designer«? Nee, dann hätten die andere Bilder genommen…
  • »Besucher der Ausstellung werden überrascht sein…« Welcher Ausstellung?
  • Hm, mir scheint, ich komme der Sache näher – oder vielmehr: Ich käme der Sache näher, wenn sie mich wirklich interessieren würde…
  • Rechts unten der übliche Designerfehler: Der wichtige Text wird rötlich gefärbt, um ihn hervorzuheben, doch in Wirklichkeit verschwindet er optisch gerade dadurch, denn dünne orange Linien auf weißem Hintergrund haben einen viel schwächeren Kontrast als dünne schwarze Linien auf weißem Hintergrund.
  • Und der übliche Werbetexterfehler: Die Headline »life science design exhibition« soll aufmerksam machen – in Wirklichkeit tut sie genau das Gegenteil: sie langweilt. Warum? »Life science« ist schon längst als Marketing-Euphemismus für Pharma-Industrie verbraucht; »design« ist sowieso allgegenwärtig und deshalb ungefähr so spannend wie die Luft, die man jede Sekunde einatmet. »Exhibition« ist da noch das einzige Wort mit Potenzial – aber es geht unter: Wo drei oder mehr englische Substantive hintereinander stehen, da ist vor allem überflüssiges Marketing-Blabla zu vermuten; das hat jeder Anzeigenkonsument schon lange gelernt.
  • War da eigentlich ’ne Headline über der Anzeige? Ach ja hier: Gut getarnt in Blass-Orange auf Zeitungs-Dunkelweiß steht: »Life Science Design« - keine Ahnung, was das sein soll. »Von der Wissenschaft des Lebens…« Hm? Klingt ja fast philosophisch! »…zur Lebensqualität« - also doch nicht philosophisch. Sondern?
  • Leere.

 

Life-Science-Anzeige

Life-Science-Anzeige groß

 

Bunt is bad

Plakate mit einem knallbunten tropischen Laubfrosch und dem Slogan "Bunt is beautiful" warben im Januar 2005 für die Werbewirksamkeit bunter Plakate. Das Bild fasziniert, doch der Slogan verstößt gegen drei Richtlinien für wirksame Slogans und straft die Gesamtaussage des Plakates Lügen:

  • Schon etliche Tests haben eindeutig ergeben, dass die meisten Menschen ihre meisten Wünsche und Emotionen in ihrer Muttersprache ausdrücken und umgekehrt auch nur von Sätzen aus ihrer Muttersprache wirklich emotional angesprochen werden. Der Satz "Bunt is beautiful" kommt aus gar keiner Muttersprache. Für deutsche Leser ist die Muttersprache Deutsch.
  • Auch auf Deutsch weckt die Feststellung "Bunt ist schön" beim Leser keine Wünsche, öffnet nicht die Tür zu einer anderen Welt, formuliert auch keinen einzigartigen Vorteil.
  • Vorsicht, falscher Zwischensinn! Das Wort "is" hinter "bunt" kann man auch auf Schnodderdeutsch lesen; das verleitet dazu, den Satz ganz anders fortzusetzen, z.B. so: "Bunt is blöd".
  • Alte Slogans abzuwandeln geht meistens schief, so auch hier: Der Original-Slogan "Black is beautiful" bezog seine Kraft gerade aus dem inneren Widerspruch zwischen "schwarz" und "schön". Die Behauptung, dass bunt schön sei, ist demgegenüber oberplatt und fällt kilometerweit hinter das zitierte Original zurück.

Warum nicht "Bunt betört" oder "Bunt bezaubert"? Das wären Sätze, die Wünsche wecken und neue Räume öffnen.

 

Sie sehen das anders?
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