PUCK:
Sie kennen mich vielleicht aus vdem "Sommernachtstraum" von
Shakespeare.
Damals diente ich Oberon. Heute hat mich Jens Jürgen Korff als
Moderator engagiert, um Sie durch seinen Zitatenschatz zu
führen. Eigentlich sprechen in einem Zitatenschatz die toten
und lebenden Dichterinnen und Dichter miteinander, und wir
hören zu. Doch es gibt noch jemanden, der hier mitreden will:
Das sind ein paar Erben von Dichtern, die noch nicht lange genug tot
sind und deshalb immer noch Geld abwerfen. Auch ich möchte die
Dichter gerne pur auf Sie loslassen, liebe Leser…
KARL VALENTIN: Mögen hätt’…
PUCK: Karl! Bist du wohl still! Du weißt genau, deine Erben
haben’s verboten.
WERNER
HEGEMANN: Erben und Besitzende scheuen die Abwechslung. Sie
möchten lieber die Fehler der Vergangenheit verewigt und
dauernd wiederholt sehen. (Entlarvte Geschichte)
GEORG KREISLER (singt): Man verbot jetzt April und Musik in A-Dur / Und
man muß jetzt die Semmeln verzolln...
PUCK:
Das werde ich hier nicht weiter kommentieren. Diese Dichter sind ja
schwerer zu hüten als ein Sack Flöhe…
HEINRICH
HEINE: Und viele Bücher trag ich im Kopf! / Ich darf es euch
versichern, / Mein Kopf ist ein zwitscherndes Vogelnest / Von
konfiszierlichen Büchern.
PUCK:
Oui, Henri; du hast mir gerade noch gefehlt. Auf Bücher kommen
wir erst später. Jedenfalls muss ich jetzt immer wieder
dazwischenquatschen, damit ich ein urheberrechtlich
geschütztes Werk erzeuge, in dessen Zusammenhang ich nach
§ 51 Urhebergesetz dann euch, ihr lieben Autoren, frei
herbeizitieren darf. Aus aktuellem und feierlichem Anlass beginne ich
mich mit dem Thema Weihnachten.
CHARLES-LOUIS CADET-GASSICOURT: ...alles Feierliche ist in Deutschland
vor der Lächerlichkeit sicher.
FAUST
(nach WOLFGANG GOETHE): Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn-
und Feiertagen / Als ein Gespräch von Krieg und
Kriegsgeschrei, / Wenn hinten, weit, in der Türkei / Die
Völker aufeinander schlagen. (Faust I, Vor dem Tor)
PUCK:
Ich bitte dich, mein lieber Faust, mein lieber Goethe! Weihnachten ist
das Fest des Friedens. Da wollen wir von Kriegsgeschrei nichts
hören. Außerdem redet ihr von Ostern, das passt auch
nicht. Wie sieht denn dieses Weihnachten
eigentlich aus? Joseph, da
hast du doch bestimmt was auf Lager?
JOSEPH
VON EICHENDORFF: Markt und Straßen stehn verlassen, / Still
erleuchtet jedes Haus, / Sinnend geh ich durch die Gassen, / Alles
sieht so festlich aus.
ALICE
WALKER: Mr. --- säuft ganz Weihnachten durch. Er und Grady.
Ich und Shug, wir kochen, reden, putzen das Haus, reden,
schmücken den Baum, reden, wachen morgens auf, reden. (Die
Farbe Lila)
THEODOR
STORM: Mir ist das Herz so froh erschrocken, / Das ist die liebe
Weihnachtszeit! / Ich höre ferne Kirchenglocken / Mich
lieblich heimatlich verlocken / In märchenstille Herrlichkeit.
JOHANN DANIEL FALK (singt): O du fröhliche, / O du
selige, / Gnadenbringende Weihnachtszeit!
MARTIN
FRIEDRICH PHILIPP BARTSCH (singt): Morgen, Kinder,
wird’s was geben, / Morgen werden wir uns freu’n /
Welch ein Jubel, welch ein Leben / Wird in unsrem Hause sein! / Einmal
werden wir noch wach, / Heißa, dann ist Weinachtstag!
PUCK:
Na, da haben wir ja eine Menge Motive und Stichworte beisammen: Es ist
still und erleuchtet, man trinkt, kocht, isst und redet, das Herz ist
tangiert, Glocken läuten und locken in die Heimat,
Märchen erinnern an Kindertage, das Haus ist
geschmückt, alle freuen sich und jubeln…
ERICH
KÄSTNER (singt): Morgen, Kinder, wird’s nichts
geben! / Nur wer hat, kriegt noch geschenkt. / Mutter schenkte euch das
Leben. / Das genügt, wenn man’s bedenkt. / Einmal
kommt auch eure Zeit. / Morgen ist’s noch nicht soweit.
PUCK:
Erich, denk an deine Erben! Auch du solltest dich lieber in
weihnachtlicher Stille üben, statt uns hier die Feierlaune zu
verderben und Klassenkampftöne anzustimmen Jetzt werden erst
noch schnell die Weihnachtsgrüße verschickt.
MOHAMMED:
Wenn ihr mit einem Gruß
begrüßt werdet,
dann grüßt mit einem noch schöneren
Gruß... (Koran 4, 86)
DANNY RUBIN: Und täglich grüßt das
Murmeltier...
JAKOB
HARINGER: Schönstes Ostern! Liebste Weihnachtspost! / Alle
trogen arg. / Alle waren mein Sarg – / Aber du warst echt und
ohne Trug!
PUCK: Und dann wird der Baum
aufgestellt. Alice war bereits so freundlich, uns daran zu erinnern.
ALICE WALKER: ...es is, wie wenn die Bäume ums Haus rum sich
auf die Zehen stelln, daß sie besser sehn.
MOSE:
Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum
der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn
an dem Tage, da du von ihm issest, mußt du des Todes sterben.
(Altes Testament: 1. Mose 2, 16)
MARTIN LUTHER: Gott hat sein Geheimnis in die Bäume
geschrieben, nicht aber in die Bücher.
PUCK:
Dort finden wir nur die Geheimnisse sterblicher Dichter, in der Tat.
Doch da die Bücher aus Bäumen hergestellt werden,
geht eine Spur des göttlichen Geheimnisses wohl auch in sie
ein.
LUDWIG
UHLAND: Bei einem Wirte wundermild, / da war ich
jüngst zu Gaste. / Ein goldner Apfel war sein Schild / an
einem langen Aste. / Es kamen in sein grünes Haus / viel
leicht beschwingte Gäste, / sie sprangen frei und hielten
Schmaus / und sangen auf das Beste. / Es war der gute Apfelbaum, / bei
dem ich eingekehret. / Mit frischer Kost und süßem
Schaum / hat er mich wohl genähret.
SALOMO:
Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund
unter den Jünglingen. Unter seinem Schatten zu sitzen begehre
ich, und seine Frucht ist meinem Gaumen süß. (Altes
Testament: Das Hohelied Salomos 2, 3)
BERTOLT
BRECHT: Im Hofe steht ein Pflaumenbaum / Der ist klein, man glaubt es
kaum. / Er hat ein Gitter drum / So tritt ihn keiner um. / Der Kleine
kann nicht größer wer’n. / Ja
größer wer’n, das möcht er gern.
/ ’s ist keine Red davon / Er hat zu wenig Sonn.
ALEXANDRA: Mein Freund der Baum ist tot. / Er fiel im frühen
Morgenrot.
HOIMAR VON DITFURTH: So laßt uns denn ein
Apfelbäumchen pflanzen. Es ist soweit.
JAKOB
HARINGER: So wünsch ich, da der Spuk zu End, / Wenn ich
längst Asche, daß / Aus meinem Staub ein Baum
aufwächst – / Ein Baum – der Bruder
Gottes!
PUCK:
Zum Abschluss noch eine Zungenbrecher-Redensart, über die
Weihnachtstage zu üben: Hinter dichtem Fichtendickicht picken
dicke Finken tüchtig. Übrigens liegt die
Weihnachtszeit im Winter, und da ist es oft kalt. Was gibt es
dazu zu
sagen?
DEUTSCHER VOLKSMUND: Nachts ist es kälter als
draußen.
FRIEDRICH
HÖLDERLIN: Weh mir! Wo nehm ich, wenn es Winter wird, / die
Blumen, und wo den Sonnenschein und Schatten der Erde? / Die Mauern
stehen sprachlos und kalt, / Und im Winde klirren die Fahnen.
HELEN VITA: Der Winter ist auch nicht mehr, was er war; die
Männer sind alle so unverfroren.
HO
CHI MINH: Ohne die Kälte und Trostlosigkeit des Winters
gäbe es die Wärme und Pracht des Frühlings
nicht.
PUCK:
Und dunkel ist es, die Winternacht ist lang; Weihnachten findet nachts
statt. Doch in der Nacht
leuchten Sterne, und warmes Licht dringt aus
heimeligen Fenstern…
BERTOLT
BRECHT: Denn die einen sind im Dunkeln, / Und die anderen sind im Licht
/ Und man siehet die im Lichte / Die im Dunkeln sieht man nicht. (Dreigroschenoper)
JOSEPH
VON EICHENDORFF: Wie schön, hier zu
verträumen / Die Nacht im stillen Wald, / Wenn in den dunklen
Bäumen / Das alte Märchen hallt.
JOSEPH
MOHR: Stille Nacht, heilige Nacht! / Alles schläft,
einsam wacht / Nur das traute hochheilige Paar. / Holder Knabe im
lockigen Haar / Schlaf in himmlischer Ruh’!
PUCK: Stille Tage allerdings scheinen es auch in sich zu haben,
zumindest in Clichy.
WOLFGANG GOETHE: Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen, /
Allein im Innern leuchtet helles Licht... (Faust II, 5)
FRIEDRICH NIETZSCHE: Nacht ist es: nun reden lauter alle
springenden Brunnen. Und auch meine Seele ist ein springender Brunnen. (Also
sprach Zarathustra)
WILLY DEHMEL: In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine...
HEINRICH
HEINE: Sterne
mit den goldnen Füßchen / Wandeln
droben bang und sacht, / Daß sie nicht die Erde wecken, / Die
da schläft im Schoß der Nacht.
JOHANN WILHELM HEY: Weißt du, wieviel Sternlein
stehen / An dem blauen Himmelszelt?
FRANZ
JOSEF DEGENHARDT: Schau ’rauf, merk dir genau, wo der
Polarstern steht, / Eh der Große Bär ihn
frißt! / Ritz dir in die Hand / Die Marschzahl, wenn es geht,
/ Eh man die Windrose bricht. (Hochzeit)
WOLFGANG GOETHE: Die Sterne, die begehrt man nicht, / Man freut sich
ihrer Pracht... (Trost in Tränen)
PUCK: Das haben nicht alle Dichter so gesehen…
VERGIL: Sic itur ad astra... So steigt man zu den Sternen.
LEO
BURNETT: Wenn Sie nach den Sternen greifen, erreichen Sie sie
vielleicht nicht, aber Sie wühlen mit Sicherheit nicht im
Dreck.
JOHANN JOACHIM WINCKELMANN: Edle Einfalt und stille
Größe…
MOHAMMED:
Gekommen ist ... von Gott ein Licht
und ein offenkundiges Buch, mit dem
Gott diejenigen, die seinem Wohlgefallen nachgehen, die Wege des
Friedens leitet und sie aus den Finsternissen ins Licht
herausbringt... – Gott ist das Licht der Himmel und
der Erde. Sein Licht ist einer Nische vergleichbar, in der eine Lampe
steht. Die Lampe ist in einem Glas. Das Glas ist, als wäre es
ein funkelnder Stern. Es wird angezündet von einem gesegneten
Baum, einem Ölbaum..., dessen Öl fast schon leuchtet,
auch ohne daß das Feuer es berührt hätte.
Licht über Licht! Gott führt zu seinem Licht, wen Er
will... – Wem Gott kein Licht verschafft,
für den gibt es kein Licht. (Koran 5, 15f; 24, 35;
24, 40)
JESUS:
Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln
in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens
haben. – Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die
Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. (Neues
Testament: Johannes 8, 12; Matthäus 5, 14)
MOSE: Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. (Altes
Testament: 1. Mose 1, 3)
PUCK: Doch es gibt auch Licht aus Menschenhand.
ANNE
FINCH, COUNTESS OF WINCHILSEA: Meine Hand bringt Unentdecktem Licht, /
Weicht ab vom üblichen Leben / Und will in verbleichender
Seide nicht / Ein fades Bild der Rose geben.
WOLFGANG GOETHE: Wo viel Licht ist, ist starker Schatten... (Götz
von Berlichingen, I)
PUCK: Und immer wieder liegt der Schatten ungünstig.
KURT
TUCHOLSKY: ...wir glauben nicht, daß die Flamme des Ideals
nur dekorativ am Sternenhimmel zu leuchten hat, sondern sie
muß hinieden brennen: brennen in den Kellerwinkeln, wo die
Asseln hausen, und brennen auf den Palastdächern der Reichen,
brennen in den Kirchen, wo man die alten Wunder rationalistisch
verrät, und brennen bei den Wechslern, die aus ihrer Bude
einen Tempel gemacht haben. (Wir Negativen, 13.3.1919)
PUCK: Doch das weihnachtliche Licht hat mit einem anderen zu tun.
JOHANNES DER TÄUFER: Der aber nach mir kommt..., der wird euch
mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen. (Neues
Testament: Matthäus 3, 11)
JESUS: Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden... (Lukas
12, 49)
PUCK: Auch für die Ohren hat Weihnachten viel zu bieten. Man singt Lieder, Glocken bimmeln, man lauscht Märchen-Erzählungen…
FRIEDRICH
GOTTLIEB KLOPSTOCK: Sing,
unsterbliche Seele, der sündigen Menschheit
Erlösung... (48)
LUDWIG UHLAND: Singe, wem Gesang gegeben, / In dem deutschen
Dichterwald! (49)
GEORG HERWEGH: Mein ganzer Reichtum ist mein Lied.
(50)
JOHANN
GOTTFRIED SEUME: Wo man singet, laß dich ruhig nieder, / Ohne
Furcht, was man im Lande glaubt; / Wo man singet, wird kein Mensch
beraubt; / Bösewichter haben keine Lieder.
PUCK: Gottfried Seume kannte das Horst-Wessel-Lied noch nicht.
FRANZ
JOSEF DEGENHARDT: Wo sind unsre Lieder, / unsre alten Lieder?
/ Nicht für’n Heller oder Batzen / mag Feinsliebchen
barfuß ziehn, / und kein schriller Schrei nach Norden / will
aus einer Kehle fliehn. / Tot sind unsre Lieder, / unsre alten Lieder.
/ Lehrer haben sie zerbissen, / Kurzbehoste sie verklampft, / braune
Horden totgeschrien, / Stiefel in den Dreck gestampft. (51)
PUCK:
Über dieses traurige Verstummen der 1960er Jahre sind wir zum
Glück hinweggekommen und haben uns doch wieder dem
Feinsliebchen singend zugewandt.
HEINRICH
HEINE: Aus meinen großen Schmerzen / Mach ich die kleinen
Lieder; / Die heben ihr klingend Gefieder / Und flattern nach ihrem
Herzen. (52)
PUCK:
Vermutlich nach dem der Geliebten. Ach ja! Doch du kannst auch andere
Saiten aufziehen auf deiner Leiher, nicht wahr, Henri?
HEINRICH
HEINE: Ein neues Lied, ein besseres Lied, / O Freunde, will ich euch
dichten! / Wir wollen hier auf Erden schon / Das Himmelreich errichten.
(53)
WOLFGANG GOETHE: Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied!
(54)
FRANZ
JOSEF DEGENHARDT (singt): Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, / Sing
nicht ihre Lieder! / Geh doch in die Oberstadt, / Mach’s wie
deine Brüder!
GEORG KREISLER: So hebt ein jeder seine winzige Laterne, / und ich
lerne: / Nur das Lied bleibt und die Hoffnungslosigkeit. (55)
PUCK:
So schnell führen uns die Dichter aus der Weihnachtsbotschaft
heraus. Herr Luther, führen Sie uns zurück!
MARTIN LUTHER (singt): Vom Himmel hoch, da komm ich her, / Ich bring
euch gute neue Mär. / Der guten
Mär bring ich so viel, / Davon ich sing’n und sagen
will.
NATHAN (nach GOTTHOLD EPHRAIM LESSING): Nicht die Kinder bloß
speist man / Mit Märchen ab. (56)
THEODOR HERZL: Wenn ihr wollt, / Ist es kein Märchen. (57)
PUCK:
So ist es denn nun Zeit, einen Blick auf die freudige, die christliche
Botschaft zu werfen! Übrigens dauert die Weihnachtszeit im
Kirchenjahr bis zum 6. Januar. Danach muss Schluss sein – es
sei denn, jemand sagt mit
HEINRICH BÖLL: Nicht nur zur Weihnachtszeit. (58)
ANGELUS SILESIUS: Und wäre Christus
tausendmal in Bethlehem geboren, / und nicht in Dir: Du bliebest doch
in alle Ewigkeit verloren. (59)
PRIMO LEVI: Christus kam nur bis Eboli. (60)
PUCK: Christen dagegen gab und gibt es auch in London.
PEACHUM
(nach BERTOLT BRECHT): Wach auf, du verrotteter Christ! / Mach dich an
dein sündiges Leben / Zeig, was für ein Schurke du
bist / Der Herr wird es dir dann schon geben. (61)
NATHAN (nach GOTTHOLD EPHRAIM LESSING): Ihr Stolz ist: Christen sein,
nicht Menschen. (62)
PUCK:
Wenn die Christen es zu bunt treiben, dann hält JEAN PAUL
seine »Rede des todten Christus vom Weltgebäude
herab dass kein Gott sei.« (63) Und Henri
widerspricht auf seine Art.
HEINRICH HEINE: Denn das Christentum ist eine Idee und als solche
unzerstörbar und unsterblich wie jede Idee. (64)
EIN ENGEL (nach LUKAS): Siehe, ich verkündige euch
große Freude, die allem Volk
widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren...
(65)
FRIEDRICH SPEE VON LANGENFELD: O Heiland,
reiß den Himmel auf, / Herab, herab vom Himmel lauf! /
Reiß ab vom Himmel Tür und Tor, / Reiß ab,
wo Schloß und Riegel vor!
JOCHEN
KLEPPER: Die Welt liegt heut im Freudenlicht. / Dein aber harret das
Gericht. / Dein Elend wendet keiner ab. / Vor deiner Krippe
gähnt das Grab. / Kyrieleison. (66)
PUCK:
So weit wollen wir heute noch nicht sehen. Erst mal die
ungetrübte Freude – die kannten auch schon die alten
Griechen und Römer mit ihren Göttern.
FRIEDRICH
SCHILLER: Freude, schöner Götterfunken, / Tochter aus
Elysium, / Wir betreten feuertrunken, / Himmlische, dein Heiligtum. (67)
LUCIUS ANNAEUS SENECA: Mihi crede, verum gaudium res severa est. Glaube
mir, wahre Freude ist eine ernste Sache. (68)
PUCK: Nein, lieber Schiller, das siehst du anders, nicht wahr?
FRIEDRICH
SCHILLER: Freude trinken alle Wesen / An den Brüsten der
Natur, / Alle Guten, alle Bösen / Folgen ihrer
Rosenspur…. Freude heißt die starke Feder / In der
ewigen Natur. / Freude, Freude treibt die Räder / In der
großen Weltenuhr.
WOLFGANG
GOETHE: So eine wahre warme Freude ist nicht in der Welt, als
eine große Seele zu sehen, die sich gegen einen
öffnet. (69)
PUCK: Doch sofort treten wieder Kritiker und Satiriker auf den Plan.
AUGUST GRAF VON PLATEN: Das hat die Freude mit dem Schmerz gemein, dass
sie die Menschen der Vernunft beraubt. (70)
FRIEDRICH
PERLS: An die Stelle der Freude ist der Spaß getreten,
vorgefertigt wie im Fernsehen. (...) Freude ist etwas anderes als
Spaß. Freude ist Glut, sie ist die tiefste Art,
Glück zu erfahren. (71)
WILHELM BUSCH: Die Freude flieht auf allen Wegen; / Der Ärger
kommt uns gern entgegen. (72)
JOHANN PETER HEBEL: Mit der Freude zieht der Schmerz /
traulich durch die Zeiten. (73)
JOHANN
MARTIN USTERI: Freut euch des Lebens, / Weil noch das
Lämpchen glüht; / Pflücket die Rose, / Eh
sie verblüht. (74)
PAULUS: Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den
Weinenden. (75)
JESUS: Seid fröhlich und
getrost; es wird euch im Himmel belohnt werden. (76)
THEODOR FONTANE: Wer schaffen will, muß fröhlich
sein.
AUGUST
VON KOTZEBUE: Wir sitzen so fröhlich beisammen, / Wir haben
uns alle so lieb, / Wir heitern einander das Leben, / Ach wenn es doch
immer so blieb’! (77)
FRIEDRICH
SCHILLER: Noch keinen sah ich fröhlich enden, / Auf den mit
immer vollen Händen / Die Götter ihre Gaben streun.
(78)
PUCK: Aber dennoch, immer feste…
LUDWIG THOMA: Von acht Uhr früh bis zwölf Uhr mittags »frohlocken«, und von zwölf Uhr mittags bis acht Uhr abends »Hosianna singen«. (79)
PUCK: Also lasst uns schnell zu den wahren Freuden des Weihnachtsfestes übergehen: den Geschenken und dem guten Essen!
KNUT HAMSUN: Das wahre Geschenk macht einen reicher, obwohl man gibt. (80)
MARIE VON EBNER-ESCHENBACH: Arme Leute schenken gern. (81)
ANDRÉ GIDE: Der vollkommene Besitz beweist sich nur durch das Geschenk. Alles, was du nicht zu geben weißt, besitzt dich. (82)
ANTOINE DE SAINT-EXUPÉRY: Schenken ist ein Brückenschlag über den Abgrund deiner Einsamkeit. (83)
RUSSISCHER VOLKSMUND: Das Schönste am Schenken ist das Leuchten in den Augen des Beschenkten. (84)
ROBERT STOLZ: Es bleibt einem im Leben nur das, was man verschenkt hat. (85)
PUCK: Doch die entscheidende Frage im Vorfeld lautet: Was schenke ich? Auch darauf wissen Dichter und Volksmünder Antworten.
FRANZ GRILLPARZER: Gold schenkt die Eitelkeit, der rauhe Stolz; die Freundschaft und die Liebe schenken Blumen. (86)
CHINESISCHER VOLKSMUND: Die Hand, die Rosen schenkt, duftet stets ein wenig. (87)
SOPHRONIUS EUSEBIUS HIERONYMUS: Noli equi dentes inspicere donati. Einem geschenkten Gaul / schaut man nicht ins Maul. (88)
PUCK: Und jetzt bitte die üblichen Miesmacher und Bedenkenträger!
JOHN STEINBECK: In der Liste der falschen Tugenden ist die des Schenkens vielleicht die am meisten überschätzte. Schenken ist fast immer ein selbstsüchtiges Vergnügen, denn Geben kann dasselbe Gefühl der Überlegenheit hervorrufen wie das Geldscheffeln. (89)
NÂZIM HIKMET: ...Ihr müßt bedenken, / ein Kind ist verbrannt wie Papier. / Ihr könnt ihm nichts mehr schenken. (90)
GOTTHOLD EPHRAIM LESSING: Der Wille / Und nicht die Gabe macht den Geber. (91)
EMMY VON EGIDY: Auch die Gabe, die du gibst, / Wiegt nicht schwerer, als du liebst: / Liebe geht dem Geben vor. (92)
JESUS: Gebt, so wird euch gegeben. (93)
BIBEL: Geben ist seliger als nehmen. (94)
PAULUS: ...denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. (95)
LAOZI: Güte in den Worten erzeugt Vertrauen, beim Denken Tiefe, beim Verschenken Liebe. (96)
FRANZ JOSEF DEGENHARDT (singt): Wenn die Bratendüfte wehn, / Jungfraun den Kaplan umstehn, / Der so nette Witzchen macht / Und wenn es dann so harmlos lacht; / Wenn auf allen Fensterbänken / Pudding dampft und aus den Schänken / Schallt das Lied vom Wiesengrund, / Und daß am Bach ein Birklein stund’. / Alle Glocken läuten mit, / Die ganze Stadt kriegt Appetit; / Das ist dann genau die Zeit, / Da frier’ ich vor Gemütlichkeit. (97)
PUCK: In der Tat, das Essen ist fertig. Mal sehen, ob wenigstens jetzt gefräßige Stille eintritt.
LUDWIG FEUERBACH: Der Mensch ist, was er ißt… Was ist, ißt und wird gegessen. (98)
PUCK: Wie tröstlich!
B. TRAVEN: Essen stimmt immer versöhnlich, wenn während des Essens nicht über die Kostenfrage geredet wird. (99)
JESUS: Was zum Mund hineingeht, das macht den Menschen nicht unrein... (100)
FRANZ JOSEF DEGENHARDT: Da hockt die ganze Stadt und mampft, / Daß Bratenschweiß aus Fenstern dampft. / Durch die fette Stille dringen / Gaumenschnalzen, Schüsselklingen, / Messer, die auf Knochen stoßen, / Und das Blubbern dicker Soßen... (101)
VIRGINIA WOOLF: So, wie der Mensch nun einmal gebaut ist, Herz, Körper und Gehirn, alle miteinander verbunden und nicht in getrennten Abteilungen, wie das ganz sicher in einer Million Jahre der Fall sein wird, ist ein gutes Abendessen für ein gutes Gespräch von großer Bedeutung. (102)
PUCK: Satt sind wir jetzt. Doch sollen wir verdursten?
JOSEPH VIKTOR VON SCHEFFEL: Man spricht vom vielen Trinken stets, / Doch nie vom großen Durste. (103)
CLAUDE TILLIER: Essen ist ein Bedürfnis des Magens, Trinken ein Bedürfnis des Geistes. (104)
FRIEDRICH SCHILLER: Trink ihn aus, den Trank der Labe, und vergiß den großen Schmerz! (105)
JOSEPH VON EICHENDORFF: Das Trinken ist gescheiter, / Das schmeckt schon nach Idee, / Da braucht man keine Leiter, / Das geht gleich in die Höh. (106)
HORAZ: Nunc est bibendum, nunc pede libero / Pulsanda tellus! / Jetzt laßt uns trinken, jetzo mit freiem Fuß / Den Boden stampfen! (107)
PUCK: Und was trinken wir? Da sind sich die Dichter ausnahmsweise fast völlig einig.
WILHELM BUSCH: Rotwein ist für alte Knaben / Eine von den besten Gaben. (108)
GREGOR VON REZZORI: Befeuerer der Fröhlichen und Tröster der Bekümmerten, Springborn der Erfindung und Abgrund des Vergessens zugleich. (109)
DEUTSCHES VOLKSLIED: Der liebste Buhle, den ich han, / Der liegt beim Wirt im Keller; / Er hat ein hölzern Röcklin an / Und heißt der Muskateller.
WOLFGANG GOETHE: Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden, / Doch ihre Weine trinkt er gern. (110)
PUCK: Und deshalb hat ein Franzose hier das letzte Wort.
VICTOR HUGO: Gott macht nur das Wasser, doch der Mensch den Wein. (111)
PUCK: Weihnachten ist nicht zuletzt das Familien-Ereignis schlechthin. Die Heimat ruft, Vater, Mutter, Kinder und Kindheits-Erinnerungen lächeln…
JEAN FRANÇOIS MARMONTEL: Wo kann man sich wohler fühlen, als im Schoße seiner Familie? (112)
KURT TUCHOLSKY: Als Gott am sechsten Schöpfungstage alles ansah, was er gemacht hatte, war zwar alles gut, aber dafür war auch die Familie noch nicht da. (113)
KARL KRAUS: Das Wort »Familienbande« hat einen Beigeschmack von Wahrheit. (…) Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben. (114)
MARIA MONTESSORI: Alles Gute und Böse des Menschen im reifen Alter ist eng verknüpft mit seiner Kindheit, in der es seinen Ursprung hat. Alle unsere Irrtümer übertragen wir auf unsere Kinder, in denen sie untilgbare Spuren hinterlassen. (115)
MARTIN LUTHER (singt): Euch ist ein Kindlein heut gebor’n, / Von einer Jungfrau auserkor’n, / Ein Kindelein so zart und fein, / Das soll eu’r Freud’ und Wonne sein! (116)
JESUS: Lasset die Kinder und wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen; denn ihrer ist das Himmelreich. (117)
FRIEDRICH SCHILLER: Dies Kind, kein Engel ist so rein, / Laßts Eurer Huld empfohlen sein... (118)
THEODOR STORM: Es sinkt auf meine Augenlider / Ein goldner Kindertraum hernieder, / Ich fühl’s, ein Wunder ist geschehn. (119)
HANNES WADER (singt): Wenn die Gedanken treiben, / In die Zeit, in der du Kind gewesen bist, / Laß es gut sein, sollen sie so bleiben / Zwischen Wirklichkeit und Traum, / Auch wenn es in Wahrheit kaum / Jemals so gewesen ist. (120)
JAKOB HARINGER: Ist die Kindheit nur an Wundern reich. / Denn sie glaubt ja an ein Märchenreich. / Bist du müde auch und grau dein Haar, / Denk daran, wie schön es damals war, / War ein Hund bloß, war ein Kieselstein – / Doch wie selig ließ uns alles sein. (121)
HEINRICH HEINE: Mein Kind, wir waren Kinder, / Zwei Kinder, klein und froh; / Wir krochen ins Hühnerhäuschen, / Versteckten uns unter das Stroh. (122)
FRANZ JOSEF DEGENHARDT (singt): Er schlich aber immer wieder durch das Gartentor / Und in die Kaninchenställe, / wo sie Sechsundsechzig spielten / Um Tabak und Rattenfelle, / Mädchen unter Röcke schielten… (123)
PETER USTINOV: Die Kindheit ist jene herrliche Zeit, in der man dem Bruder zum Geburtstag die Masern geschenkt hat. (124)
PUCK: Doch das Kind in uns ist manchmal langlebiger als das Hühnerhäuschen, in dem es sich herumgetrieben hat.
WILLIAM WORDSWORTH: The Child is father of the Man. Das Kind ist des Mannes Vater. (125)
FRIEDRICH NIETZSCHE: Im echten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen. Auf, ihr Frauen, so entdeckt mir doch das Kind im Manne! (126)
TONI KALVERBENDEN: Das Kind in ihm ist groß genug. Der Mann ist zu klein. (127)
PUCK: Schon der Apostel Paulus war wohl etwas genervt von Männern, die es mit dem Kind im Manne übertrieben hatten.
PAULUS: Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. (128)
PUCK: Immerhin muss mann sich unter Umständen vom inneren Kind ab- und einem äußeren Kind zuwenden.
BERTOLT BRECHT: Der Wind macht die Wolken, daß da Regen ist auf die Äcker, daß da Brot entstehe. Laßt uns jetzt Kinder machen aus Lüsten für das Brot, daß es gefressen werde. (129)
JEAN-PAUL SARTRE: Kinder machen, ausgezeichnet; Kinder haben, welche Unbill! (130)
NATHAN (nach GOTTHOLD EPHRAIM LESSING): Und Kinder brauchen Liebe, / Wär’s eines wilden Tieres Lieb’ auch nur, / In solchen Jahren mehr als Christentum. / Zum Christentume hat’s noch immer Zeit. (131)
WOLFGANG GOETHE: Denn wir können die Kinder nach unserem Sinne nicht formen: / So wie Gott sie uns gab, so muß man sie haben und lieben, / Sie erziehen aufs beste und jeglichen lassen gewähren. (132)
KAHLIL GIBRAN: Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Es sind die Söhne und Töchter von des Lebens Verlangen nach sich selber. Sie kommen durch euch, doch nicht von euch; und sind sie auch bei euch, so gehören sie euch doch nicht. (133)
MARIE VON EBNER-ESCHENBACH: Eltern verzeihen ihren Kindern die Fehler am schwersten, die sie selbst ihnen anerzogen haben. (134)
JEAN PAUL: Für Kinder vollends gibt es keine andere Sittenlehre als Beispiel, erzähltes oder sichtbares... (135)
ERNST BLOCH: Ein Kind greift nach allem, um zu finden, was es meint. Wirft alles wieder weg, ist ruhelos neugierig und weiß nicht, worauf. (136)
FRIEDRICH HÖLDERLIN: Spottet nimmer des Kinds, wenn noch das alberne / Auf dem Rosse von Holz herrlich und viel sich dünkt, / O ihr guten! auch wir sind / Thatenarm und gedankenvoll! (137)
PUCK: Leider haben immer wieder etliche Eltern nicht auf die Ratschläge der Dichter gehört.
FRANZ JOSEF DEGENHARDT (singt): Wenn ein Kind ganz nackt und lachend unter einer Dusche stand, / Dann bekam es zur Bestrafung alle Haare abgebrannt. / Doch war’s artig, hat zum Beispiel einen Panzer gut gelenkt, / Dann bekam es zur Belohnung um den Hals ein Kreuz gehängt... (138)
PUCK: Und Franz Josef hat sich auch angeschaut, was nur wenig später aus diesem Kind geworden ist.
FRANZ JOSEF DEGENHARDT (singt): Das Kind wollte nach Hause gehn. / Das hat der Offizier gesehn. / Der hat das Kind dort hingestellt. / Auch damals hat ein Hund gebellt. / Die Leute hab ich ausgesucht. / Ein alter Mann hat laut geflucht, / doch keiner hat vorbeigezielt. / Im Wald dort blühen Kirschen wild. (139)
HUGO VON HOFMANNSTHAL: Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen, / Die von nichts wissen, wachsen auf und sterben... (140)
OSCAR WILDE: Anfangs lieben die Kinder ihre Eltern. Nach einiger Zeit beginnen sie, sie zu verurteilen. Selten, wenn überhaupt je, verzeihen sie ihnen. (141)
ANTOINE DE SAINT-EXUPÉRY: Kinder müssen mit großen Leuten viel Nachsicht haben. (142)
LUDWIG BÖRNE: Vor allen Kindern, die uns begegnen, sollten wir uns tief und ehrfurchtsvoll verneigen; sie sind unsere Herren, für sie arbeiten wir. Ein Kind in der Hütte ist mehr als ein Greis auf dem Throne. Schon darum muß man suchen, Vater zu werden, um Kinder ohne Neid betrachten zu können. (143)
MARCEL CARNE: Kinder des Olymp! (144)
NOVALIS: Wo Kinder sind, da ist ein goldnes Zeitalter. (145)
PUCK: Doch wo Kinder sind, da sind auch Vater und Mutter nicht weit.
MOSE: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, wie dir der Herr, dein Gott, geboten hat, auf daß du lange lebest und dir’s wohlgehe... (146)
FRIEDRICH WILHELM KAULISCH: Wenn du noch eine Mutter hast, / So danke Gott und sei zufrieden... (147)
GEORG KREISLER (singt): Mütterlein, Mütterlein, du warst mehr als Gold und Geld! / Man kann beinah’ sagen, ohne dich / wär’ ich heut’ nicht auf der Welt. (148)
KURT TUCHOLSKY: Hast uns Stulln jeschnitten / un Kaffe jekocht / un de Töppe rübajeschohm... (149)
SIMONE DE BEAUVOIR: Als Mutter hat die Frau etwas Furchterregendes; in ihrer Mutterschaft muss man sie deshalb verklären und dienstbar machen… Die Mutter weiht ihren Sohn dem Tode, indem sie ihm das Leben gibt; die Liebende treibt den Liebhaber zum Verzicht auf das Leben, zur Hingabe an den tiefsten Schlaf. Diese Verbindung zwischen Liebe und Tod ist in der Tristansage pathetisch dargelegt... (150)
PUCK: Ja, ja, Bert –
BERTOLT BRECHT: Mutter Courage und ihre Kinder... (151)
VIRGINIA WOOLF: Von unseren Vätern wissen wir immer irgendein Faktum, irgend etwas, wodurch sie sich hervortaten. Sie waren Soldaten oder Seeleute; sie bekleideten jenes Amt oder machten jenes Gesetz. Aber von unseren Müttern, unseren Großmüttern, unseren Urgroßmüttern – was bleibt? Nichts als eine Überlieferung. Eine war schön; eine war rothaarig; eine wurde von einer Königin geküßt. Wir wissen nichts von ihnen außer ihren Namen und den Daten ihrer Heirat und der Zahl der Kinder, die sie gebaren. (152)
HEINRICH HOFFMANN: ...und die Mutter blicket stumm / auf dem ganzen Tisch herum. (153)
PUCK: Und wie steht’s um den Herrn Vater, mein lieber Schiller?
FRANZ MOOR (nach FRIEDRICH SCHILLER): Kann ichs ihm Dank wissen, daß ich ein Mann wurde? So wenig, als ich ihn verklagen könnte, wenn er ein Weib aus mir gemacht hätte. (154)
GOTTHOLD EPHRAIM LESSING: Ja, Prinz, was ist ein König, wenn er kein Vater ist! (155)
ADAM KUCKHOFF: Mein lieber Sohn, du großes dickes Glück, / So lasse ich dich vaterlos zurück? / Ein ganzes Volk – nein, das ist viel zu klein, / Das Menschenvolk wird dir dein Vater sein! (156)
FRIEDRICH SCHILLER: Brüder – überm Sternenzelt / Muß ein lieber Vater wohnen. (157)
PUCK: Kommt da noch was? – Beim Thema Vater geben sich die Dichter erstaunlich wortkarg. Dabei ist Vater doch, dem Vernehmen nach, immerhin der Herr der Fernbedienung. Was macht übrigens die heilige Familie an den Weihnachtstagen, wenn sie nicht gerade isst, trinkt oder Geschenke auspackt?
HEINZ ERHARDT: Damit man sehe, was man höre, / erfand Herr Braun die Fernsehröhre. / Wir wär’n Herrn Braun noch mehr verbunden, / hätt’ er die Röhre nicht erfunden. (158)
INGE NIEDEK: Das Fernsehen hat mittlerweile in der Gesellschaft eine weitreichende Definitionsmacht über die Wirklichkeit gewonnen. (159)
RICHARD DAVID PRECHT: Es gibt kein falsches Leben im richtigen Fernsehen… Statt Fernsehen wie im wirklichen Leben gibt es Leben wie im wirklichen Fernsehen. (160)
LOUISE MARTINI: Fernsehen in Gesellschaft ist das Teamwork der Wortlosen. (161)
ORSON WELLES: Fernsehen ist Kaugummi für die Augen. (162)
VITTORIO DE SICA: Fernsehen ist das einzige Schlafmittel, das mit dem Auge eingenommen wird. (163)
ALEXANDER MITSCHERLICH: Fernsehen ist ebenso wenig schädlich, wie Wein schädlich ist, krankhaft ist lediglich die Unfähigkeit, mit dem lust-versprechenden Angebot umgehen zu können. (164)
GROUCHO MARX: Fernsehen bildet. Immer, wenn der Fernseher an ist, gehe ich in ein anderes Zimmer und lese. (165)
GEORG KREISLER (singt): Dreh das Fernsehn ab, Mutter / Es zieht.
PUCK: Ich greife Grouchos Idee auf, gehe ins Nebenzimmer und wende mich den vielen Büchern zu, die das letzte Weihnachtsfest auf den Tisch gelegt hat – oder war’s das vorletzte? Bücher! Na, wenn das kein Stichwort für Dichter ist…
GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG: Wer zwei Paar Hosen hat, mache eins zu Geld und schaffe sich dieses Buch an. (166)
BERTOLT BRECHT: Hungriger, greif nach dem Buch: es ist eine Waffe. / Du mußt die Führung übernehmen. (167)
WALTER BENJAMIN: Bücher und Dirnen kann man ins Bett nehmen. (168)
KARL JULIUS WEBER: Ein Buch, das nicht wert ist, zweimal gelesen zu werden, ist auch nicht wert, daß man es einmal liest. (169)
FRIEDRICH RÜCKERT: Wer viele Bücher hat und keines recht gelesen, / Ist wie ein Geiziger mit seinem Schatz gewesen. (170)
HEINRICH SEIDEL: Es gibt eben Bücher, die eine doppelte Freude gewähren, erstens, daß man sie hat, und zweitens, daß man sie nicht zu lesen braucht. (171)
PUCK: Na, na! Wer von euch möchte denn ein ganz besonderes Buch vorstellen?
GROUCHO MARX: Ich besitze die drei dünnsten Bücher der Welt: Italienische Heldensagen, die Geheimnisse der englischen Küche und 1000 Jahre deutscher Humor. (172)
GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG: Ein sicheres Zeichen von einem guten Buche ist, wenn es einem immer besser gefällt, je älter man wird. (173)
OSCAR WILDE: Es gibt kein moralisches oder unmoralisches Buch. Bücher sind gut oder schlecht geschrieben. Weiter nichts. (174)
GAIUS PLINIUS SECUNDUS: Kein Buch ist so schlecht, daß es nicht in irgendeiner Hinsicht nützen könnte. (175)
JULIEN OFFRAY DE LA METTRIE: Wenn mein Buch gefällt, ist es methodisch genug. (176)
GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG: Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch? (177)
MICHEL DE MONTAIGNE: Werde ich eines Buches überdrüssig, so leg’ ich’s weg und nehme ein andres... (178)
KURT TUCHOLSKY: Der Leser hats gut; er kann sich seine Schriftsteller aussuchen. (179)
PUCK: Und da sage einer, Interaktivität sei erst durch Computer und Internet möglich geworden. »Zurück zu Google« – diese Bewegung hieß früher bloß: zurück zum Regal!
VIRGINIA WOOLF: Dies ist ein wichtiges Buch, nimmt der Kritiker als erwiesen an, weil es vom Kriege handelt. Dies ist ein unbedeutendes Buch, weil es von den Gefühlen von Frauen in einem Wohnzimmer handelt. (180)
FRANZ KAFKA: Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen. ...ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns. (181)
MARTIN WALSER: Ein Buch ist für mich eine Art Schaufel, mit der ich mich umgrabe. (182)
STEFAN ZWEIG: Das Buch als Eingang zur Welt… (183)
GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG: Ein Buch ist ein Spiegel, wenn ein Affe hineinsieht, so kann kein Apostel herausgucken. (184)
JEAN-PAUL SARTRE: Ich habe mein Leben begonnen, wie ich es zweifellos beenden werde: inmitten von Büchern. (185)
SALOMO: ...denn des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren macht den Leib müde. (186)
PUCK: So, jetzt aber schnell noch Silvester und Neujahr abgearbeitet. Ich rufe die Vorsätze in Erinnerung und die ewig währenden Themen Geschick, Schicksal, Glück und Zukunft auf!
WOLFGANG GOETHE: Ein großer Vorsatz scheint im Anfang toll. (187)
JESUS SIRACH: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. (188)
WOLFGANG GOETHE: Ein Vorsatz, mitgeteilt, ist nicht mehr dein. (189)
DIODOROS: Man muß brave Männer nicht nach dem Ausgang beurteilen, sondern nach dem Vorsatz, denn jener hängt vom Glück ab, dieser vom freien Willen. (190)
WOLFGANG GOETHE: Das Ew’ge regt sich fort in allen; / Denn alles muß ins Nichts zerfallen, / Wenn es im Sein beharren will. (191)
FRIEDRICH RÜCKERT: Es ist ein Ewiges, das wandelt und das bleibt, / Das in sich selber ruht und ruhlos alles treibt. (192)
FAUST (nach WOLFGANG GOETHE): Es kann die Spur von meinen Erdetagen / Nicht in Äonen untergehn. – / Im Vorgefühl von solchem hohen Glück / Genieß’ ich jetzt den höchsten Augenblick. (193)
FRIEDRICH SCHILLER: Auf ewig / Und in des Worts verwegenster Bedeutung. (194)
WOLFGANG GOETHE: ...Das Ewig-Weibliche / Zieht uns hinan. (195)
FRIEDRICH SCHILLER: Nicht ohne Schauder greift des Menschen Hand / In des Geschicks geheimnisvolle Urne. (196)
ARTHUR SCHOPENHAUER: ...das Schicksal mischt die Karten und wir spielen. (197)
JEAN PAUL: Die Menschen bewohnen und bewegen das große Tretrad des Schicksals und glauben darin, sie steigen, wenn sie gehen... (198)
FRIEDRICH SCHILLER: Doch mit des Geschickes Mächten / Ist kein ewger Bund zu flechten, / Und das Unglück schreitet schnell. (199)
LUDWIG BÖRNE: Das Schicksal macht nie einen König matt, ehe es ihm Schach geboten. (200)
OTTO ERNST ROCK: Was sich einem wie unabwendbares Schicksal in den Weg stellt, ist oft nur eine aufgeplusterte Konstellation, die sich auflösen lässt, oft auch nur ein unglücklicher Ablauf, den man umleiten kann. (201)
PUCK: Ist es nicht seltsam, dass so viele Menschen an Silvester ihr weitres Schicksal in äußerlichen Zeichen zu ergründen suchen? Und wie Freund Goethe und Freund Schiller die Themen Ewigkeit und Schicksal in fester Hand halten?
FRIEDRICH SCHILLER: ...Dein Schicksal ruht in deiner eignen Brust! (…) Mein Schicksal führt mich. Sorge nicht, ich werde / Ans Ziel gelangen, ohne daß ichs suche. (202)
MARIE VON EBNER-ESCHENBACH: Wir werden vom Schicksal hart oder weich geklopft; es kommt auf das Material an. (203)
THORWALD DETHLEFSEN: Schicksal als Chance! (204)
HEINRICH BÖLL: Schicksal einer henkellosen Tasse… (205)
FRIEDRICH RÜCKERT: Des Menschen ganzes Glück besteht in zweierlei, / Daß ihm gewiß und ungewiß die Zukunft sei. (207)
SOPHOKLES: Doch eh er geschaut, weissagt / kein Mensch die Geschicke der Zukunft. (208)
FRIEDRICH SCHILLER: Nichts Wahres läßt sich von der Zukunft wissen. (209)
PUCK: Gut, Sophokles, Schiller, das ist lange her. Inzwischen sollten wir doch näher an der Zukunft dran sein…
MATTHIAS HORX: Ich habe keine Ahnung, wie die Zukunft aussehen wird. (210)
PUCK: Für einen Zukunftsforscher ist das doch ein etwas erstaunliches Geständnis.
PETER SELLERS: Zukunftsforschung ist Kratzen, bevor es einen juckt. (211)
BLAISE PASCAL: Die Zukunft allein ist unser Zweck, und so leben wir nie, wir hoffen nur zu leben. (212)
ALBERT EINSTEIN: Ich denke niemals an die Zukunft. Sie kommt früh genug. (213)
WOODY ALLEN: Ich denke viel an die Zukunft, weil das der Ort ist, wo ich den Rest meines Lebens zubringen werde. (214)
RAINER MARIA RILKE: Mehr als wir erfuhren, ist geschehen, / Und die Zukunft faßt das Allerfernste / Rein in eins mit unserm innern Ernste. (215)
PUCK: Das war jetzt ziemlich tiefsinnig. Kommt bitte wieder etwas näher an die Oberfläche! Vielleicht mit dem Thema Glück?
EMANUEL GEIBEL: Es ist das Glück ein flüchtig Ding, / Und war’s zu allen Tagen... (216)
WOLFGANG GOETHE: Ich war glücklich, wahrhaft glücklich, wie man es auf der Welt sein kann, das heißt auf kurze Zeit. (217)
FRIEDRICH SCHILLER: Ich habe genossen das irdische Glück, / Ich habe gelebt und geliebet. (218)
SCHOTTISCHES SPRICHWORT: Sei glücklich, so lange du lebst, denn du bist eine lange Zeit tot. (219)
BERNARD SHAW: Glück ein Leben lang! Niemand könnte es ertragen; es wäre die Hölle auf Erden. (220)
MARCUS TULLIUS CICERO: Denn das Glück ist selbst nicht nur blind, es macht fast immer auch diejenigen blind, die es in seine Arme schließt. (221)
JAKOB HARINGER: Glaubt jenen nie, die da von Glück geschrieben, / Glaubt keinen Singsang, wie sie sich gefreut: / Ach, wenn ich glücklich war, da hab ich nie geschrieben – / Da saß ich still und hab mich bloß gefreut. (222)
FRANZ HESSEL: Im Kramladen des Glücks… (223)
JAKOB HARINGER: Ist alles eins, / Der fand sein Glück! / Und ich fand keins. (224)
FRIEDRICH NIETZSCHE: Das Glück des Mannes heißt: ich will. Das Glück des Weibes heißt: er will. (225)
MATHILDE FRANZISKA ANNEKE: Ihr Frauen, die Ihr Euch willig an ein „Glück“ gewöhnen lerntet, nach welchem Ihr wahrlich niemals Sehnsucht im jugendlich erglühten Busen getragen habt! Begreift es, daß Euer erlogenes Glück Euch zu lächelnden Sklavinnen gemacht hat... (226)
SIMONE DE BEAUVOIR: ...es ist immer leicht, die Situation als glücklich zu erklären, zu der man jemanden zwingen will: diejenigen, die man als Einzelwesen zur Stagnation verurteilt, erklärt man für glücklich unter dem Vorwande, das Glück sei Unbeweglichkeit. (227)
KURT TUCHOLSKY: Jedes Glück hat einen kleinen Stich. / Wir möchten soviel: Haben. Sein. Und gelten. / Daß einer alles hat: das ist selten. (228)
IRMGARD KEUN: Und ich wußte dann, daß das heißt, Glück zu haben – nämlich einem Menschen zu begegnen in den drei Minuten am Tage, wo er gut ist. (229)
WOLFGANG GOETHE: Es wächst das Glück, dann wird es angefochten, / Man ist entzückt, nun kommt der Schmerz heran, / Und eh man sich's versieht, ist's eben ein Roman. (230)
MR. --- (nach ALICE WALKER): Wenn sie kommt, bin ich glücklich. Wenn nich, bin ich zufrieden. Und dann kommts mir, genau das isses wahrscheinlich, was ich hab lernen sollen. (231)
CHRISTA WOLF: Wo ich nicht bin, da ist das Glück. (232)
FAUST (nach WOLFGANG GOETHE): O glücklich, wer noch hoffen kann, / Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen! (233)
WALTER BENJAMIN: Glücklich sein heißt ohne Schrecken seiner selbst innewerden können. (234)
OVID: ...und niemand darf vor seinem Tod und seinem Begräbnis glücklich genannt werden. (235)
EWALD CHRISTIAN VON KLEIST: Der Glücklichste stirbt unter Wünschen. (236)
ALBERT CAMUS: Wir müssen uns Sisyphus glücklich vorstellen. (237)
HEINRICH HEINE: ...ich glaube, die Menschheit ist zur Glückseligkeit bestimmt, und ich hege also eine größere Meinung von der Gottheit als jene frommen Leute, die da wähnen, ER habe den Menschen nur zum Leiden erschaffen. (238)
JOHANN GOTTFRIED HERDER: Selbst das Bild der Glückseligkeit wandelt sich mit jedem Zustand und Himmelsstriche… (239)
ALICE WALKER: Weil du bist, wer du bist, ist die Zukunft voller Licht und Glück. (240)
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